Langener Waldpost 11: „Stark wie ein Baum“ – ein Hainbuchenmärchen

05.05.2021

In früheren Jahren gab es bereits die „Langener Waldpost“ mit spannenden Informationen aus dem Forstamt Langen. Diese schöne Tradition der Wissensvermittlung greifen wir in digitaler Form wieder auf. Deshalb finden Sie hier in lockerer Reihenfolge Beiträge zu unterschiedlichen Themen rund um unseren Wald.

„Stark wie ein Baum“ – ein Hainbuchenmärchen

In einem schönen Wald, da lebten einmal zwei Bäume zufrieden nebeneinander – eine mächtige Eiche und eine kleine Hainbuche. Die Eiche war sehr dick und ihr Kronendach so groß, dass zu ihrer kleinen Nachbarin nur wenige Sonnenstrahlen durchdrangen. Aber die Hainbuche störte sich nicht daran. Sie fühlte sich wohl im Schatten der Eiche und wurde von ihr gut beschützt.

So lebten beide friedlich zusammen und genossen die immer wiederkehrenden Jahreszeiten. Der Winter bedeckte sie mit einem weichen Mantel aus Schnee, im Frühling zogen die Vögel im Schutz ihrer Baumkronen ihre Jungen auf, die Kraft des Sommers ließ auch ihre Kraft wachsen, und im Herbst kitzelten die Waldtiere bei der Suche nach schmackhaften Baumfrüchten ihre Wurzeln.

Foto: I. Husermann / HessenForst

Lange hätte es so bleiben können, aber eines Tages schlich sich ein Störenfried in ihre Gemeinschaft. Mit den Jahren war eine Efeupflanze herangewachsen, die auf der Suche nach Sonnenlicht die große Eiche ausgewählt hatte, um sich an ihr empor zu schlängeln. Bis in die Spitze des Baumes war sie schon gewachsen und nahm dort immer mehr Platz und Licht ein. Die Eiche aber, die viel Sonne braucht, litt zunehmend unter der ungebetenen Mitbewohnerin und klagte der Hainbuche ihr Leid. Da war guter Rat teuer, denn freiwillig wollte der Efeu den Platz an der Sonne nicht mehr verlassen.

Foto: I. Husermann / HessenForst

Die Hainbuche aber hatte der Eiche viel zu verdanken – wie oft schon hatte diese sie bei Unwettern und Stürmen beschützt! Nun war es an ihr, der Freundin zu helfen und sie nicht dem Klammergriff des Efeus zu überlassen. So kam es, dass sich die Hainbuche an die merkwürdigen, sägeähnlichen Ränder ihrer Blätter erinnerte. Nun endlich wusste sie, was sie damit anfangen konnte! Sogleich begann sie mit der Arbeit und sägte die Efeustängel, die an der Eiche emporwuchsen, durch. Das war ein hartes Stück Arbeit, denn der Efeu hatte mittlerweile viele Triebe und hielt den Eichenstamm damit fest im Griff.

Foto: I. Husermann / HessenForst

Die Hainbuche aber sägte unermüdlich, Tag und Nacht, um ihre Freundin zu befreien. Je länger sie sägte, desto stärker wurde sie, und zuletzt ging ihr die Arbeit immer leichter von der Hand, oder besser gesagt, vom Blatt. Schließlich hatte sie alle Efeustängel durchtrennt, und die Eiche konnte endlich wieder aufatmen. Die Hainbuche aber war durch das anstrengende Sägen so stark geworden, dass ihr Stamm aussah, als stecke er voller Muskeln. Dieses Aussehen hat sie bis heute behalten.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind Hainbuche und Eiche noch immer die besten Freundinnen!