Hessen ist ein Buchenland: Mit einem Anteil von 30 % ist die Buche die häufigste und wichtigste Baumart in Hessens Wälder, vor Fichte und Eiche. Im Rheingauer Wald, der vom Forstamt Rüdesheim betreut und gepflegt wird, hat sie sogar einen Anteil von 36 %. Die Wahl zum Baum des Jahres 2022 soll zum einen auf ihre enorme Bedeutung hier in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet aufmerksam machen, zum anderen auf ihr Leiden unter den Auswirkungen des Klimawandels.
Als “Mutter des Waldes“ ist die Buche in unseren Breiten sehr konkurrenzstark und bildet als schattenliebende Baumart geschlossene, dunkle Waldbestände aus. Da sie insbesondere als junger Baum wenig Licht braucht, kann sie sich auf vielen Standorten gegen andere Baumarten durchsetzen.
Wer offenen Auges durch den Rheingauer Wald läuft, kann dieses Phänomen vielerorts beobachten: in der unteren Waldschicht findet man vor allem kleine Buchen aus Naturverjüngung. Über ihre Verjüngungsfreudigkeit freuen sich selbstverständlich die Försterinnen und Förster, denn natürliche Verjüngung durch Waldbäume ist die wichtigste Methode, Wälder neu zu begründen. Trotz ihrer guten Anpassungsfähigkeit leiden vor allem alte Buchen unter den Folgen der Klimaerwärmung: durch Wassermangel und Hitze werden die Bäume geschwächt, Pilze befallen den Baum und er stirbt ab. Da das Schadgeschehen landesweit zu beobachten ist, spricht man bereits von einem Buchensterben. Auch im Bereich des Forstamts Rüdesheim ist dieser Trend zu beobachten, allerdings sei die genetische Anpassungsfähigkeit der Buche an die sich verändernden Klimabedingungen nicht zu unterschätzen. Dieser „Wettlauf“ zwischen dem fortschreitenden Klimawandel und der Anpassungsfähigkeit der Bäume wird maßgeblich darüber entscheiden, wie unsere Wälder zukünftig aussehen, so Jan Stetter, Forstamtsleiter im Forstamt Rüdesheim.
Darüber hinaus sind Buchenwälder wertvolle Lebensräume, die innerhalb des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura2000 eine besondere Bedeutung erfahren. Mit einer nachhaltigen naturnahen Holznutzung können diese Lebensräume gewahrt bleiben, gleichzeitig kann Buchenholz als nachwachsender klimaneutraler Rohstoff einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nicht nur Möbel, Möbelfurnier, Bauschichtholz oder Zellstoff werden aus Buchenholz hergestellt. Buchenholz bietet, in seine chemischen Bestandteile zerlegt, viele weitere Verwendungsmöglichkeiten, die man bereits im 19. Jahrhundert im Rheingau nutzte: Das Holzverkohlungswerk in Lorch, das von 1857 bis 1959 in Betrieb war und auf dessen Gelände sich die heutige Firma Schlaadt befindet, stellte aus Buchenholz lebenswichtige Produkte wie Teer, Lösungsmittel, Essigsäure und Holzkohle her. Das Holz wurde auf Gleisen mit einer Waldbahn aus den umliegenden unerschlossenen Wäldern des Wispertals abgefahren und in der Lorcher Fabrik verarbeitet. Damit die Buche als führende Baumart Mitteleuropas erhalten bleibt, sind große Anstrengungen für einen effektiven Klimaschutz nötig. Dann hat die Buche die Chance, ihre Konkurrenzkraft in Mitteleuropa aufrechterhalten zu können.