Biologie und Ökologie des Waldmaikäfers
Maikäfer zählen zur Familie der Blatthornkäfer (Scarabaeidae). Bei uns kommen drei Arten vor: der Waldmaikäfer (Melolontha hippocastani), der Feldmaikäfer (Melolontha melolontha) und der sogenannte Glücksmaikäfer (Melolontha pectoralis). Letztgenannter tritt sehr selten auf.

Das Verbreitungsgebiet des Waldmaikäfers erstreckt sichüber ganz Mitteleuropa. Darüber hinaus kommt diese Artauch, im Gegensatz zum Feldmaikäfer, in einigen Teilen Skandinaviens und Russlands vor. Wald- und Feldmaikäfer sind optisch leicht zu verwechseln. Bei beiden Arten gibt eszahlreiche Farbvarianten und verschiedene Größen. Im Mittel ist der Waldmaikäfer jedoch rötlich-braun gefärbt und mit ca. 20–25 mm etwas kleiner als der Feldmaikäfer. Der Feldmaikäfer ist in der Farbgebung eher gelblich-braun und ca. 20–30 mm groß.
Das eindeutigste Unterscheidungsmerkmal bei der Arten istder Aftergriffel (Pygidium), der beim Waldmaikäfer knotenartig verdickt und beim Feldmaikäfer spatenartig gestreckt ist. Die Geschlechter der Maikäfer lassen sich im Käferstadium an der Größe der Fühlerblätter erkennen. Maikäfermännchen besitzen fast doppelt so lange Fühlerblätter wie die Weibchen.
Die Generationsdauer des Waldmaikäfers, also die Entwicklung vom Ei bis zum fertigen Käfer, wird vom örtlichen Klima bestimmt und beträgt im Hessischen Ried meist vier Jahre. Dabei durchlaufen die Engerlinge drei Larvenstadien.

Ein Maß für die Zuordnung dieser Stadien ist die sogenannte Kopfkapselbreite. Im Mittel ergeben sich Kopfkapselbreiten beim Stadium E1 von 2,6–2,7 mm, bei E2 von 4,2–4,5 mm und bei E3 von 6,5–6,9 mm. Während der Vegetationszeit befinden sich die Larven in ca. 20 cm Tiefe, um an den Feinwurzeln der Pflanzen zu fressen. Im Winter hingegen begeben sie sich oft in Tiefen von mehr als 100 cm und überwintern so unterhalb der Frostgrenze.
Maikäfer gehören wie beispielsweise auch der Borkenkäfer zu den Insektenarten, die zu Massenvermehrungen fähig sind. Daher gibt es beim Waldmaikäfer neben dem vierjährigen Generationszyklus noch einen etwa 20–30 Jahre andauernden Gradationszyklus. Die Phase hoher Individuendichten kann durchaus 10 Jahre betragen, die Zeiten geringer Dichten liegen meist bei zehn bis zwanzig Jahren.
Der Schlupf der Waldmaikäfer aus dem Boden beginnt, je nach Witterung, Ende April bis Anfang Mai. Dabei hinterlassen die Käfer runde und scharfrandige Ausfluglöcher. Nach demAusflug erfolgt ein Reifungsfraß an den Blättern der Waldbäume. Grundsätzlich werden Blätter sämtlicher unserer Laubbaumarten und Nadeln der Lärche gefressen. Bevorzugt werden Blätter der Rot-, Stiel- und Traubeneichen sowie Buchen.
Die Käfer fressen zunächst verschwenderisch frisches Laub und wechseln gegebenenfalls die Baumart. Erst später erfolgt auch Fraß an älteren Blättern. Einmaligen starken Blattfraß (Kahlfraß) können gesunde Bäumen in der Regel gut überstehen, da meist ein Ausgleich durch einen Regenerationstrieb erfolgen kann.
Nach dem Reifungsfraß des Waldmaikäfers erfolgt die Kopulation und daraufhin die Eiablage. Ein gesundes Weibchen legt in 10–25 cm Bodentiefe bis zu dreimal 20–25 Eier in Klumpen ab, insgesamt also bis zu 80 Eier. Die gesamte Entwicklung des Waldmaikäfers, Reifungsfraß, die Paarung und die Eiablage findet innerhalb des Waldes, bevorzugt auf sandigen Böden statt.

Aufgrund seiner Lebensweise kann der Waldmaikäfer erhebliche Schäden für die Forstwirtschaft verursachen. Dabei spielen die Fraßschäden der Engerlinge an den Wurzeln der Waldbäume die entscheidende Rolle. Vor allem die Engerlinge des zweiten und dritten Larvenstadiums fressen nicht nur Feinwurzeln, sondern sogar stärkere Wurzeln. Das verhindert die Wasseraufnahme und Nährstoffzufuhr der Pflanzen. Betroffen vom Wurzelfraß sind fast alle Arten von Forstpflanzen in sämtlichen Altersstufen.
Verjüngungen und Pflanzflächen sind schon bei geringen Engerlingsdichten gefährdet, bei entsprechend hoher Engerlingsdichte können auch Jung- und Altbestände von über 100 Jahren absterben.

In den Regionen des Hessischen Rieds mit seit mehreren Jahrzehnten anhaltend starkem Wurzelfraß sind auch Bäume, die bisher nicht abgestorben sind, hochgradig geschwächt und von schechtem Allgemeinzustand.
Als natürliche Begrenzungsfaktoren des Waldmaikäfers gelten Witterungsfaktoren (Extremtemperaturen, Bodenfrost, starke andauernde Niederschläge usw.) und natürliche Gegenspieler (Insekten, Vögel, Säugetiere, parasitische Nematoden, Bakterien, Viren, Rickettsien und sogenannte entomophage Pilze). Gegenüber normalen Witterungsschwankungen sind ausgewachsene Käfer relativ widerstandsfähig.
Im Rahmen der Engerlingsgrabungen an repräsentativen Stichproben durchgeführte gesundheitliche Untersuchungen ergaben in allen Untersuchungenjahren so geringe Befunde an Pathogenen, dass die Engerlingspopulation als sehr gesund und vital bezeichnet werden muss. Offensichtlich haben Pathogene bisher kaum regulatorischen Einfluß auf die Population.
Die Probegrabungsmethodik im Hessischen Ried
In den Waldböden des Hessischen Rieds kommen Waldmaikäfer von Natur aus vor. Sie unterliegen in ihrer Individuendichte und räumlichen Ausbreitung starken Schwankungen, sogenannten Massenwechseln. Seit 1982 beobachten Forstleute im Hessischen Ried wieder eine Massenvermehrung. Diese begann in den Wäldern bei Lampertheim und hat sich inzwischen weit nach Norden ausgebreitet.
Im Auftrag des Landesbetriebes HessenForst führt die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt systematische Probegrabungen für die gesamte Fläche des Hessischen Rieds durch (ca. 32.000 Hektar).
Wichtigste Größen sind die Dichte und Verteilung der Engerlinge im dritten Stadium (E3), weil mit diesen Daten abgeschätzt werden kann, wo und in welcher Intensität im Hauptflugjahr 2022 mit Maikäferflug und -fraß zu rechnen ist. Wiederholbarkeit, Wiederauffindbarkeit und statistische Absicherbarkeit erfordern ein festes, regelmäßiges Grabungsraster.
Um einerseits eine möglichst weitreichende Auswertbarkeit der Grabungsdaten zu gewährleisten, andererseits die Kosten zu begrenzen, fiel die Entscheidung zugunsten eines Rasterabstandes von 500 x 500 Meter. Damit ergeben sich über die Waldfläche des Hessischen Rieds insgesamt 1.268 Rasterpunkte.
Die Festlegung der Rasterpunkte im Gelände erfolgte mit Hilfe von GPS Geräten, die Punkte wurden dauerhaft markiert. An jedem Rasterpunkt wurden vier Grabungen durchgeführt, jeweils eine in etwa zehn Meter Abstand vom Rasterpunkt, aufgeteilt auf die vier Haupthimmelsrichtungen. Bei 1268 Rasterpunkten ergaben sich theoretisch 5072 Grabungen. 55 Rasterpunkte wurde 2021 aus verabschieden Gründen nicht beprobt, was einer einer repräsentativen Fläche von rund 1375 Hektar entspricht, auf der kein Monitoring durchgeführt werden konnte.
Jedes Grabungsloch umfasste eine Fläche von 50 x 50 cm und eine Grabungstiefe von ebenfalls mindestens 50 cm. Es wurde mindestens 20 cm über den letzten Fund hinaus gegraben. Bis in ca. 80 cm Tiefe traten Engerlinge auf. Die Grabungen begannen Ende April 2021, so dass die Engerlinge des 3. Stadiums noch nicht verpuppt waren. Im Labor erfolgte eine Artbestimmung gefundener Engerlinge, soweit Zweifel bestanden, dass es sich dabei um Waldmaikäfer handelt. Dies ist notwendig, weil auch Engerlinge anderer Arten wie Gartenlaubkäfer, Rosenkäfer oder Brachkäfer vorkommen. Die gewonnenen Grabungsdaten zeigen, dass die Engerlingsdichten von 2009 bis 2013 rückläufig waren, von 2017 bis 2021 allerdings wieder deutlich anstiegen und auch ein eine räumliche Verlagerung Richtung Norden erkennbar ist. Möglicherweise sind die Niederschlagsdefizite der letzten Jahre ein Grund für die höhere Engerlingsdichte. Warum sich die Population nach Norden verlagert, ist jedoch unklar.