In früheren Jahren gab es bereits die „Langener Waldpost“ mit spannenden Informationen aus dem Forstamt Langen. Diese schöne Tradition der Wissensvermittlung greifen wir in digitaler Form wieder auf. Deshalb finden Sie hier in lockerer Reihenfolge Beiträge zu unterschiedlichen Themen rund um unseren Wald.
Die Mistel – eine Pflanze mit vielen Facetten
Die in unseren Breiten heimische Weißbeerige Mistel (Viscum album) ist eine immergrüne Pflanze, die in den Kronen mancher Bäume als kugelförmiges Gebilde zu erkennen ist. Obwohl sie mit ihren grünen Blättern selbst Fotosynthese betreibt, lebt sie dort als Halbschmarotzer, denn sie zapft ihren Wirtsbaum an, um Nährstoffe und Wasser zu bekommen.

Zum Problem für den Baum wird die Mistel bei starkem Befall und vor allem in Trockenzeiten, da sie ihrem Wirt, der dann unter Trockenstress leidet, weiterhin das lebensnotwendige Wasser entzieht.
Die Verbreitung der Mistel erfolgt durch Vögel, z.B. durch die Misteldrossel, die die Pflanze sogar im Namen trägt. Die Vögel nehmen die (für uns Menschen giftigen) weißen Früchte der Mistel auf, und durch Kotabscheidung landet der Samen, wenn für die Mistel alles gut läuft, in einer anderen Baumkrone. Der klebrige Samen bildet dort eine Senkwurzel, mit der er in die Baumrinde eindringt. Davon ausgehend wachsen in den folgenden Jahren Wurzeln bis ins Holz.
Je nach Wirtsbaumart unterscheidet man die Laubholzmistel, häufig in Pappeln und Apfelbäumen zu finden, von z.B. der Kiefernmistel, die – Überraschung – vor allem Kiefern besiedelt. Im Forstamt Langen stellt die Waldkiefer mit einem Anteil von ca. 50% die Hauptbaumart. An ihnen ist schon seit einigen Jahren ein starker Mistelbefall zu beobachten, und die trockenen Sommer der vergangenen Jahre geben viel Grund zur weiteren Sorge um unsere wichtigste Baumart.
Die Mistel wird jedoch auch als Arzneimittel, u.a. in der Naturheilkunde, zur Behandlung und Linderung verschiedener Beschwerden eingesetzt. Zudem wird ihr große mystische Bedeutung zugeschrieben. Für die Kelten war die Mistel eine Kultpflanze. Ihre zauberkundigen Druiden sammelten sie in bedeutsamen Opferritualen, ähnlich wie man sie aus den Asterix-Comics kennt. Die Kopfbedeckung des Keltenfürsten vom Glauberg – eine „Krone“, die die Blattpaare der Mistel symbolisierte – steht für die große Bedeutung, die diese Pflanze für die Kelten hatte.

In Frankreich gilt die Mistel als Fruchtbarkeitssymbol. Bei uns ist vor allem der Kuss unter dem Mistelzweig bekannt. Dieser Brauch entspringt einer germanischen Sage:
Balder, der Gott der Sommersonne, träumte eines nachts von seinem eigenen Tod, welcher das Ende allen Lebens auf der Erde bedeuten würde. Voller Sorge sprach daher Frigga, Balders Mutter und Göttin der Liebe, mit jedem Tier und jeder Pflanze, und jede Art versprach ihr, ihrem Sohn nicht zu schaden. Loki, der Gott der List, erfuhr jedoch, dass Frigga die Mistel, die unscheinbar weit oben in einer Baumkrone saß, nicht aufgesucht hatte. Aus dieser Mistel fertigte Loki einen Pfeil und ließ damit Balder, die Sonne, töten. Die Tränen, die Frigga darüber vergoss, bildeten aber Perlen, welche sich in die Früchte der Mistel verwandelten. Als dies geschah, erwachte ihr Sohn zu neuem Leben. Voller Freude und als Zeichen der Liebe küsste Frigga daraufhin jeden, der unter diesem Mistelzweig hindurch lief.
Populär wurde der Kuss unter dem Mistelzweig in der viktorianischen Zeit. Die Menschen, gebunden an strenge Benimmregeln, durften sich ausnahmsweise unter dem Zweig küssen. Somit war dies der einzige Weg, seinen Liebsten ohne gesellschaftliche Konsequenzen näher zu kommen. Doch der Brauch sollte wohl dosiert eingesetzt werden – nach jedem Kuss wurde eine Beere gepflückt, und sobald keine mehr daran hingen, war dieses „Hintertürchen“ verschlossen.

Übrigens: Die „Sendung mit der Maus“ brachte am Sonntag, 13.12.2020, einen interessanten Bericht über die Mistel und wie sie für medizinische Zwecke gewonnen wird. Eine sehenswerte, kurze Sachgeschichte, die anzuschauen unbedingt lohnt (ARD-Mediathek)!